Felsbildarchäologie – eine Begriffserklärung
Felsbildarchäologie
Die Felsbildarchäologie ist die Lehre von anthropogen erzeugten Zeichen auf Felsen, kurz Felsbilder genannt und eine Wissenschaft, die mit geistes- und naturwissenschaftlichen Methoden erforscht wird. Der Begriff Felskunst beschreibt (im engeren Sinne) Kunstwerke, die von der jüngeren Altsteinzeit (Jungpaläolithikum) bis in die Gegenwart auf Felsen angebracht wurden. In Abhängigkeit davon, ob Kunst auf Höhlenwänden oder auf Felsen im Freien angebracht wurde, unterscheidet man zwischen Höhlenkunst und Felskunst im Freien.
Einzelne Autoren verwenden die Begriffe Felskunst und Felsbild synonym, der Begriff Felsbild bezieht jedoch alle graphische Zeichen als Bildinhalte mit ein, die keine Kunst darstellen. Irrtümlicherweise wird in der Fachliteratur der Begriff Felskunst auch auf Kunstwerke angewendet, die sich auf losen Steinen befinden, wie beispielsweise bei Decksteinen bronzezeitlicher Großsteingräber (z.B. Bunsoh, Schleswig-Holstein mit Motiven von Händen und Kreisen) oder Menhire (z.B. Tübingen-Weilheim aus der Bronzezeit mit der Abbildung von Stabdolchen).
Felsbilder kommen in der Regel überall dort vor, wo Menschen gesiedelt haben und Felsflächen zugänglich waren. Felsbilder können durch Farbauftrag, durch Materialabtrag der Felsoberfläche oder durch eine Kombination von beiden entstehen. Beim Oberflächenabtrag kann zwischen Schleifen, Ritzen und Picken unterschieden werden. In den steinzeitlichen Epochen verwendete man hierfür in der Regel Werkzeuge wie Abschläge, Stichel oder Schaber aus Feuerstein und Pickel, meistens aus Quarzit.
Spätestens ab der römischen Epoche (und bereits in der Eisenzeit) kommen bei geplanten Kunstwerken Meißel aus Eisen zum Gebrauch. Paläolithische Höhlenmalereien bestehen aus mineralischen (z.B. Hämatit) und organischen Farbstoffen (z.B. Holzkohle). Bei den Inhalten von Felsbildern unterscheidet man zwischen Piktogrammen (Bilderzeichen wie z.B. Tierdarstellungen, Menschen oder wirkliche Gegenstände) und Ideogrammen (Begriffszeichen bzw. Symbole, wie z.B. Pfeile, Zickzacklinien, Baummuster, Vulvendarstellungen). Daneben kommen bereits während der Eisenzeit im Alpenraum, ab ca. 500 vor Christus erste Schriftzeichen vor (sogenannte Rätische Inschriften, z.B. Schneidjoch im Tirol).
Die Wissenschaft von der paläolithischen Höhlenkunst begann erst mit der Entdeckung der bedeutendsten spanischen Höhle Altamira im Jahr 1879, die erst 1901 – wie alle bis dahin bekannt gewordenen Höhlenkunstwerke – als Zeugnis des vorgeschichtlichen Menschen anerkannt wurde. Bekannte französische Bilderhöhlen sind neben Lascaux, die Grotte Chauvet und Grotte Cosquer, die vor allem große polychrome Gemälde von eiszeitlichen Tieren zeigen. In Deutschland wurde bis heute keine Höhlenkunst aus der Altsteinzeit entdeckt, wenn man von bemalten Gesteinsbrocken absieht, die im Hohle Fels (Schwäbische Alb) von der Höhlenwand abgeplatzt sein sollen.
Altsteinzeitliche Felskunst im Freien wurde erstmals Anfang der 1980iger Jahre in Spanien erkannt und in das Paläolithikum datiert. Seit dieser Zeit wird stetig neue Felskunst aufgespürt, die sich im Freien befindet und in die Altsteinzeit datiert. Der wichtigste Vertreter für paläolithische Felskunst im Freien befindet sich in Frankreich bei Fornols in den Pyrenäen und besteht aus mehreren Tierdarstellungen in Feinritztechnik. Daneben gibt es in Frankreich paläolithische Skulpturen unter Felsüberhängen, wie beispielsweise der Abri Cap Blanc im Périgord, in dem unter anderem sechs Pferde im Hochrelief dargestellt sind.
Die sicherlich bedeutendsten paläolithischen Felskunststätten im Freien sind in den 1990iger Jahren im Coatal im Nordosten von Portugal entdeckt worden und besitzen heute – nach einem jahrelangen Streit um einen Staudammbau zur Energiegewinnung- den Status als UNESCO-Weltkulturerbe.
Eine in Europa einzigartige Region mit tausenden Werken nacheiszeitlicher Felsbilder mit unterschiedlichen Motiven aus den vor- und frühgeschichtlichen Epochen ist Valcamonica, ein Tal in Südtirol (Norditalien). Ebenso unzählige vorgeschichtliche Felskunststätten mit einer großen Breite in der Motivwahl (von Tieren, Schiffen, oder abstrakten Zeichen bis Schalensteinen) befinden sich in Skandinavien (z.B. über 10.000 Gravuren aus der Bronzezeit in Tanum in Bohuslän, Schweden).
Die Gründe für die Anfertigung von Kunstwerken auf Felsflächen variieren und können religiös motiviert sein, der Verschönerung der Wohnstätten (unter Abris), als territoriale Grenzmarkierung oder der mythologischen Erzählung gedient haben.
Eine hohe Dichte römischer Felskunst befindet sich im Dreiländereck Frankreich, Deutschland und Luxemburg. In dieser Region wurden während der römischen Epoche vor allem Kultstätten wie beispielsweise Quellheiligtümer mit Felskunst versehen (z.B. St. Hubertusquelle bei Lemberg, Nordvogesen, Frankreich). Weitere Motive für die Erzeugung von Felskunst sind die Errichtung von Grabstätten (z.B. Häerdcheslee, Luxemburg), Eigentumsansprüche (z.B. Namensgravur am Emilianusstollen bei Wallerfangen, Deutschland) oder simple „Ich war hier“-Botschaften (z.B. Justinusfelsen bei Bad Schwalbach im Taunus, Deutschland), die vor allem ab dem 19. Jahrhundert den häufigsten Grund bei modernen Felsritzungen darstellen.
Die Felsbildarchäologie findet – für in Deutschland vorkommende Felskunst- als akademisches Fachgebiet keine systematische Berücksichtigung und ist bis heute eine immer nur inselhafte und auf das jeweilige Objekt bezogene Betrachtung gewesen. Während universitäre Forschungen sich in der Regel auf lukrative Felskunstobjekte außerhalb Europas konzentrieren, wird die Erforschung von Felsbildern im deutschsprachigen Raum weitestgehend durch die Amateurforschung, unter anderem durch den Verein ANISA im Alpenraum, bestimmt.
Dem Verein ARRATA gelang es erstmals, im Rahmen eines Forschungsprojektes in Kooperation mit der Amtsarchäologie und in Zusammenarbeit mit Felskunstexperten, paläolithische Felskunst in Deutschland (-> Gondershausen) nachzuweisen. Trotz hoher Akzeptanz der international publizierten Ergebnisse außerhalb Deutschlands, verwehrten sich im Jahr 2021 rheinlandpfälzische Verantwortungsträger gegen eine paläolithische Datierung, ohne dabei wissenschaftlich nachprüfbare Beweise angeführt und publiziert zu haben. Sie beendeten ihr Engagement durch eine deutschlandweit lancierte Medienkampagne, die den Denkmalcharakter und den notwendigen Denkmalschutz der Felskunst negierte. Das Kulturdenkmal wurde bis heute nicht geschützt. Im Rahmen der umfangreichen Forschungen gelang es weitere einzigartige Felskunststätten im nördlichen Hunsrück, darunter spätantike Runen in einem Abri und mittelalterliche Symbole auf einer giebelförmigen Felswand, zu entdecken und damit Argumente zu liefern, dass der Mangel an vor- und frühgeschichtlichen Felsbildstätten in Deutschland forschungsgeschichtlich und methodologisch bedingt ist.